Warum es falsch ist, als Hobbyfotograf keine Ansprüche zu haben
Die teils extreme Ambivalenz des fotografischen Outputs in Hobbyfotogruppen ist oft ein omnipräsentes Thema, das die Gemüter spaltet. Erst neulich verfolgte ich einen spannenden Diskurs in einer Hobbyfotografengruppe, der dazu führte, dass viele Leute erbost die Gruppe verließen. Die Diskussion zeigte: Hobbyfotografie ist ein dehnbarer Begriff, der von vielen Menschen äußerst unterschiedlich ausgelegt wird.
Rückblick: Ein Admin der besagten Gruppe beklagte in einem Beitrag die stetig sinkende Qualität der Fotos jener Gruppe. Insbesondere die Schnappschussfotografen, die die Timeline ständig mit unscharfen Alltagsschnappschüssen (Ihres Essens, ihres Haustiers, ihrer Terrasse etc) überfluten, sprach er direkt an.
Mit der Bitte, mehr auf Qualität und den Anspruch der Gruppe zu achten, stieß er jedoch in ein Wespennest. Eben jene besagten, angesprochenen Leute erbosten sich lautstark über die vermeintliche Arroganz des Admins, die er mit diesem Beitrag ihrer Meinung nach an den Tag legte. Als Argument fiel hier – wie auch bei etlichen anderen Diskussionen in etlichen anderen Hobbyfotogruppen – die Aussage, dass sie eben nur Hobbyfotografen und keine Profis seien.
Eine Argumentation, die man ständig zu hören/lesen bekommt: Das Wort Hobby in Hobbyfotografie schließt für einen nicht zu verachtenden Teil der Hobbyfotografen anscheinend jegliche Präsenz von Ansprüchen an sich und seinem Output kategorisch aus. Die Spirale der Argumentationen dreht sich oftmals ins Absurde: Als Hobbyfotograf habe man schließlich keine „Profiausrüstung“ und könne deshalb keine anspruchsvollen Bilder machen, oder man habe nicht genug Zeit, um sich tiefergehend mit der Theorie zu befassen.
Das Problem ist jedoch weder die Ausrüstung, noch dass es nur das Hobby ist, sondern oftmals einfach der eigene Unwille sich weiter zu entwickeln und konstruktive Kritik praktisch umzusetzen.
Ist es dann eben nicht das Hobby, das jedwede Qualität des geposteten Contents verhindert, so ist man eben der Anfänger (der diese Info seit Jahren bei jedem Beitrag verwendet), der zwar explizit um Kritik bat, mit dieser aber augenscheinlich nicht zufrieden ist. Konstruktive Kritik wird dann schnell als Arroganz abgetan, um den nicht vorhandenen Willen zur Weiterentwicklung zu kompensieren.
Doch jeder war ein Anfänger und jeder, der Fotografie eben nicht als Beruf gelernt/studiert hat und nicht damit seinen Lebensunterhalt verdient, ist eben auch kein Profi. Ich bin kein Profi und Menschen in Hobbyfotogruppen aller Wahrscheinlichkeit auch nicht. Eben dies schließt jedoch bei weitem nicht aus, dass man Ansprüche haben darf, dass man perfektionistisch sein darf. Gerade im Hobbybereich gibt es so viele Koryphäen, die beachtenswerte Leistungen auf die Beine stellen. Nicht jeder gute Fotograf ist auch ein gelernter Fotograf, nicht jeder gute Koch hat einen Stern an der Wand hängen, nicht jeder Kakteenzüchter ist Gärtner oder Botaniker, nicht jeder begnadete Maler hat Kunst studiert und nicht jeder Musik hat ein Diplom einer Musikhochschule. Ich könnte diese Liste ewig weiterführen.. Worauf ich jedoch hinauswill: Warum können Menschen Sachen mit einer Perfektion ausüben, wenn sie diese gar nicht gelernt haben? Laut Aussage vieler Hobbyfotografen sei das doch schließlich gar nicht möglich, als Nichtprofi akzeptablen Output zu generieren.
Warum sie solche Sachen dennoch können? Weil es eben das Hobby ist! Hobby heißt Herzblut, Enthusiasmus und Motivation ins Spiel zu bringen, die jeglicher professionellen Routine entgegenstehen. Gerade dadurch kann man seinen Dilettantismus walten lassen und Wege gehen, die als Profi völlig unwirtschaftlich wären. Man kann experimentieren, Zeit vergeuden, neu anfangen, neue Wege gehen, ohne davon seine Existenz abhängig machen zu müssen. Ein Hobby auszuüben heißt, mit einer Überzeugung an die Sache heranzugehen, die einen Motiviert, sich selbst als Herausforderer zu sehen.
Leider scheint es für viele Leute an der Tagesordnung zu sein, für jede Aktion Lob zu ernten – sei sie auch noch so banal und absolut nicht lobenswert. Wir leben in einer Gesellschaft von Arschkriechern auf der einen Seite, die es jedem um jeden Preis Recht machen wollen und Schneeflocken auf der anderen Seite, die mit was anderem außer Lob gar nicht mehr umgehen können. Das inflationäre Loben lässt einen Trend zum Abstumpfen erkennen: Was anderes als Lob wird gar nicht erst akzeptiert. Aber Lob allein bringt einen nicht weiter. Kritik ist es, die die Fehler aufzeigt und die Initialzündung zum „Andersmachen“ und Überdenken auslöst. Doch wenn man ausschließlich auf Lob aus ist, wird es schwer, sich weiterzuentwickeln, wenn man auf dem Auge für Kritik blind ist. Man versteckt sich lieber hinter dem Wort Hobby und zieht beleidigt den Schwanz ein, wenn einem die verletzende Wahrheit vor Augen gehalten wird. Zur Not kann man immer noch die Arroganzkeule schwingen und den Hobbykollegen als „Arroganten Profi“ beschimpfen.
Ich will hier niemandem zu nahe treten, aber alle Leute, die sich selbst Hobbyfotografen nennen, aber nicht den kleinsten Fingerzeig in Richtung Weiterentwicklung tätigen, sind einfach nur faul und brauchen sich dann auch nicht beklagen, wenn ihr Output als nicht angemessen erachtet wird. Fotografie ist ein Handwerk, das man erlernen kann – wenn man nur will. Dass man dazu keine teure Profiausrüstung benötigt, habe ich hier erläutert.
Ist der Wille, sich das nötige Hintergrundwissen anzueignen, erstmal vorhanden, darf man sich nicht zu schade sein, einen gewissen Perfektionismus in der Umsetzung des just erlernten Wissens zu entwickeln. Perfektionismus heißt nicht, perfekt zu sein. Niemand ist perfekt und niemand sollte sich und sein Schaffen als perfekt bezeichnen! Aber Perfektionismus ist das Streben, dem Perfekten nahe zu kommen; Perfektionismus kann ein Motor sein, der – ist er erstmal angeworfen – zu ganz neuen Ergebnissen führen kann. Und eh man sich verguckt, ist aus der Knipserei Fotografie geworden! 🙂
Doch dazu werde ich mich in einem anderen Artikel in Kürze mal gedanklich austoben.
Hallo Ben,
ich habe zum Beispiel einen riesen Sprung gemacht, als ich mit manuellen Objektiven angefangen habe zu fotografieren. Da habe ich verstanden wie ISO, Blende, Verschlusszeit, etc. zusammenhängen.
Dann kamen einige banale Bildgestaltungsregeln dazu (Drittelregel) und so versuche ich ein interessantes Foto zu erstellen, wo der Betrachter auch noch ein zweites Mal draufschaut.
In diesem Sinne
LG Bernhard
Hallo Bernhard,
das ist natürlich ein schönes Beispiel für den Prozess, der sich eben hinter der Fotografie verbirgt. Parameter wie Belichtungsdreieck und ein paar Hintergedanken zum Gezeigten, führen schon zu völlig anderen Ergebnissen, als wenn man nur den Auslöser drückt!
Das spricht mir aus der Seele.
Hobbymusiker üben i. a. so lange, bis sie mindestens ein Stück Musik so beherrschen, dass man/frau es geneigten Zuhörern präsentieren kann. Möglichst viele Stücke leidlich herunterzurotzen weil man/frau „nur“ hobbymäßig unterwegs ist, würde keiner akzeptieren.
Aber dafür heißt es. Üben! Und das kostet Anstrengung. Zuviel für die, die sich Hobbyfotografen nennen, in Wirklichkeit aber nur mäßig interessierte, dilettantische Knipser sind.
Nur, Anerkennung für Ihre „Leistung“ muss trotzdem her. Da passt die Blase Gleichgesinnter hervorragend, die sich immer schön gegenseitig in den Himmel lobt.
Empfehlenswert:
https://thomas-tremmel.de/mein-nachbar-kurt/schoenes-bild
Danke für den Link, der treibt ein solches Szenario natürlich wunderbar auf die Spitze und trifft genau ins Schwarze! 🙂